Eine ECHTE-SCHÄTZE-Kiste für Kinder
Durch einen Vergleich internationaler Studien ist davon auszugehen, dass jedes sechste bis zehnte Mädchen und jeder zehnte bis 20. Junge bis zum 16. Lebensjahr mindestens einmal erzwungenen sexuellen Körperkontakt durch eine deutlich ältere Person erlebt hat, stellen Dirk Bange und Wilhelm Körner in ihrem 2002 erschienenen "Handwörterbuch sexueller Missbrauch" fest. Experten vermuten zudem eine hohe Dunkelziffer. "Häufig beginnt sexueller Missbrauch im Vor- und Grundschulalter. Daher ist es wichtig, schon frühzeitig mit der Prävention und der Ich-Stärkung anzusetzen", sagt Iris Gerster, Leiterin der Fachberatungsstelle Morgenrot gegen sexualisierte Gewalt in Friedrichshafen. Mit "Echte Schätze" startete Morgenrot jetzt ein neues Präventionsprojekt für Kindertageseinrichtungen im Bodenseekreis. Das Projekt wird über Spenden finanziert und von der Stadt Friedrichshafen sowie dem Bodenseekreis unterstützt. 14 Einrichtungen haben sich bereits angemeldet.
Das Projekt "Echte Schätze" wurde vom Petze Institut für Gewaltprävention gGmbH entwickelt, um Kitas praxisnah und kindgerecht in der Prävention von sexuellem Missbrauch zu unterstützen. "Kinder lieben Schatzkisten und das vielfältige Konzept ist auf die Besonderheiten des Elementarbereichs zugeschnitten", berichtet Projektleiterin Magdalena Hriny. Kita-Fachkräfte können anhand des gleichnamigen Bilderbuchs, der Präventions-Schatzkiste mit Handpuppe sowie allen in der Geschichte vorkommenden Gegenständen und des dazugehörigen Arbeitshandbuchs die einzelnen Präventionsbotschaften mit den Kindern erarbeiten. Die Mädchen und Jungen lernen, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen und zwischen angenehmen und unangenehmen Berührungen zu unterscheiden. Sie erfahren, dass sie NEIN sagen dürfen und sich Hilfe holen können, wenn sie etwas allein nicht schaffen. Und sie erhalten ein Minibuch "Echte Schätze". "Ziel des Projekts ist es, das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken und den Aufbau eines positiven Selbstkonzepts zu fördern", so Magdalena Hriny. Durch Übersetzungen der Handreichungen und pädagogischen Materialien in acht Fremdsprachen sind die "Echten Schätze" auch für Einrichtungen mit einem hohen Migrantenanteil geeignet.
Die Projektlaufzeit, in der eine "Echte Schätze"-Kiste den Kitas leihweise zur Verfügung gestellt wird, betrage sechs Wochen, so Magdalena Hriny. Das Projekt ist für die Kitas kostenfrei. Die Fachberatungsstelle Morgenrot übernimmt die Projektschulung der Kita-Fachkräfte und steht unterstützend und beratend zur Seite. Ergänzend zu den Schatzkisten erhalten die Kitas Fachliteratur, CDs, weitere Bilderbücher und andere Materialien zu den Themen sexueller Missbrauch, Kinderschutz und Sexualpädagogik. Die Kita-Fachkräfte führen Elternabende durch und informieren die Erziehungsberechtigten über das Projekt.
Die Resonanz auf das "Echte Schätze"-Projekt ist sehr positiv. "Wir haben uns zu einer Teilnahme entschieden, um in unserer Einrichtung zu diesem Thema mehr präventive Arbeit zu leisten. Außerdem wollen wir das Selbstbewusstsein der Kinder durch dieses Projekt stärken", so eine Rückmeldung aus dem Kinderhaus St. Nikolaus in Owingen, das zusammen mit dem Swiss International School Kindergarten (Friedrichshafen), dem Kindergarten Lippertsreute und der Kindertagesstätte Oberhof (Tettnang) an der jetzt gestarteten ersten Projektphase teilnimmt. Bis zu den Sommerferien sind drei Projektdurchläufe geplant.
Das Projekt "Echte Schätze" werde im Fachverbund der spezialisierten Fachberatungsstellen bei sexualisierter Gewalt auch in den angrenzenden Landkreisen durchgeführt, berichtet Iris Gerster und verweist auf regelmäßige Austausche und eine effektive Netzwerkarbeit.
INFO: Einrichtungen im Bodenseekreis, die an dem Projekt "Echte Schätze" teilnehmen möchten, können sich an die Beratungsstelle Morgenrot wenden. Vier "Echte Schätze"-Kisten stehen für den Bodenseekreis aktuell zur Verfügung. Die Fachberatungsstelle ist für Präventionsangebote auf Spenden angewiesen, Unterstützer können sich gerne an Morgenrot wenden.