„Wir setzen uns parteilich für Opfer von sexuellem Missbrauch ein“
Sexuelle Gewalt hat weitreichende Folgen für die Entwicklung der Betroffenen und sie findet in allen gesellschaftlichen Schichten statt. "Die Fallzahlen bewegen sich weiter auf hohem Niveau. Es gibt keine Entwarnung und keinen Rückgang", sagt Iris Gerster, Leiterin von Morgenrot - Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch in Friedrichshafen. Morgenrot wurde im Mai 2016 als Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, deren Angehörige und Vertrauenspersonen sowie pädagogische Fachkräfte eröffnet. "Wir setzen uns für die Betroffenen ein und bieten Unterstützung und Hilfe", so Iris Gerster. "Wir setzen uns parteilich für Opfer von sexuellem Missbrauch ein."
Fast 130 Fälle haben die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle mittlerweile schon begleitet. "Durchschnittlich vier bis fünf neue Fälle kommen pro Monat hinzu", berichtet Fachberaterin Nicole Schäfer. Über 60 Prozent der Fälle betreffen von sexualisierter Gewalt betroffene Kinder. In allen Altersgruppen dominiert die Zahl der betroffenen Mädchen deutlich. Die Täter stammen überwiegend aus dem familiären und sozialen Umfeld der Opfer, so die Fachberaterin weiter. Nur in vier Fällen seien Fremdtäter benannt worden. Die Zugänge zur Beratungsstelle sind vielfältig: In 62 Fällen wurden pädagogische Fachkräfte und Jugendamtsmitarbeiter beraten, in 50 Fällen Eltern- oder Familienangehörige und Vertrauenspersonen. "In 14 Fällen haben wir von sexuellem Missbrauch betroffene Jugendliche und junge Erwachsene direkt beraten", so Nicole Schäfer. Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle bieten im Fall einer Strafanzeige auch Prozessbegleitung an und vermitteln bei Bedarf an Therapeuten oder andere Beratungsstellen und Einrichtungen weiter.
Träger der Beratungsstelle Morgenrot ist die Caritas Bodensee-Oberschwaben. Die Beratungsstelle wird je zur Hälfte durch Mittel des Bodenseekreises und der Stadt Friedrichshafen dauerfinanziert. "Wir sind für den ganzen Bodenseekreis zuständig und haben zwei Standorte - in Friedrichshafen und in Überlingen", so Iris Gerster. Das niederschwellige Beratungsangebot ist für die Ratsuchenden kostenfrei. "Wir unterliegen der Schweigepflicht", betont Iris Gerster. Auch eine anonyme Beratung ist möglich. "Unser Anspruch ist es, bei Anfragen innerhalb von fünf Tagen einen Termin vergeben zu können."
Grundvoraussetzungen für die erfolgreiche und ganzheitliche Arbeit in der Unterstützung der von sexuellem Missbrauch Betroffenen sind Vernetzung und Kooperation. Die Beratungsstelle Morgenrot arbeitet daher eng mit Schulen und Kindergärten, Jugendamt, Kriminalpolizei und ambulanter Jugendhilfe, Rechtsanwälten, Therapeuten und Jugendpsychiatern, Familien- und Lebensberatungsstellen sowie vielen anderen Netzwerkpartnern zusammen.
Prävention und Gremienarbeit
Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungsstelle liegt im Bereich Prävention und Gremienarbeit. So richtet das Morgenrot-Team beispielsweise den Arbeitskreis "Sexueller Missbrauch im Bodenseekreis" aus, arbeitet in verschiedenen anderen Arbeitskreisen mit und nimmt regelmäßig an Fachveranstaltungen und Fortbildungen teil. In Sachen Prävention bildet das Team Multiplikatoren weiter, das heißt, es werden pädagogische Fachkräfte und ehrenamtlich Tätige geschult, die interessierte Öffentlichkeit wird informiert und Präventionsveranstaltungen mit Kooperationspartner werden organisiert. "Das Thema sexueller Missbrauch ist leider immer noch ein Tabu-Thema", bedauert Iris Gerster. "Wir sehen es daher auch als unsere Aufgabe an, die Gesellschaft für das Thema stärker zu sensibilisieren."
Ausstellung "Echt krass!"
Im Januar kommenden Jahres veranstaltet die Beratungsstelle Morgenrot mit weiteren Kooperationspartnern einen interaktiven Präventionsparcours im Jugendzentrum Molke in Friedrichshafen. Die Wanderausstellung "Echt krass!" biete Jugendlichen einen Erlebnisrahmen, der sie kognitiv und emotional anspreche und zur Auseinandersetzung mit dem Thema "sexuelle Gewalt" anrege, so Nicole Schäfer. An verschiedenen Stationen erhalten Schüler der Klassenstufe 8 - sie sind Zielgruppe der Ausstellung - Informationen zu Sexismus und sexueller Gewalt, aber auch zu Strategien, sich gegen Übergriffe zu wehren und frühzeitig Hilfe zu holen. Der Präventionsparcours wird vom 14. bis 25. Januar 2019 stattfinden. Jugendgruppen haben die Möglichkeit, den Präventionsparcours nach Anmeldung im Jugendzentrum MOLKE in Friedrichshafen (Telefon 07541 3867025) zu besuchen.
Kontakt:
Morgenrot - Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch
Katharinenstraße 16
88045 Friedrichshafen
Telefon 07541 3776400
info@beratungsstelle-morgenrot.de
www.beratungsstelle-morgenrot.de